Juni 2010, Frankfurter Allgemeine Zeitung
MÜLLTÜTENBILDER : SIMONIDA RAJCEVIC BEI PERPÉTUEL
Es sind nicht die Schlechtesten, die sich hier ein Stelldichein geben. Jonh Keats etwa, Lord Byron oder William Blake, Rimbaud,
Sylvia Plath oder auch Dylan Thomas mit ihren so verführerischen, glühend dunklen Versen. Songs von Kurt Cobain, Nick Cave und
immer wieder Depeche Mode und ein uns andere Mal auch Sarah Cane : “No one can know what the night is like”. “Dunkler Stern”, so
der Titel der installativen, den ganzen Raum mit ihren Zeichnungen füllenden Arbeit Simonida Rajcevics, ist den auch genau das :
eine Jahrhunderte durchmessende Reise auf die romantisehe, mitunter Schwarz-romantische Nachtseite der Moderne. Zu sehen ist die
Sehau derzeit in der Frankfurter Galerie Perpetuel (Oppenheimer Strase 39).
Dabei nimmt die 1974 in Belgrad geborene Künstlerin die innere Haltung geradeso ernst vie die eitle Pose und mixt in ihren mit
Ölstift auf dunkelgrauen Müllsäcken entstandenen Zeichnungen vorgefundene mit eigenen Bildern und einschlägigen Textfragmenten, Pop mit Lyrik, Sex und Drugs und Rock`n` Roll mit ikonographischen Bildern der Kunstgeschichte. Eine Reminiszenz an Duchamps “Fontaine” findet sich ebenso wie ein Porträt von Michael Jackson, eine Paraphrase auf Blakes “Schöpfergott” geradeso wie Abbildungen aus
Pornomagazinen. Das könnte man abenteuerlich, verwegen oder gleich selbst polemisch eine Pose nennen, die sich bevorzugt des
Klischees bedient. Und doch, es funktioniert.
Weniger, weil das Wissen darum, das eine ganze Reihe der hier auftretenden Dichter, Maler, Musiker zu den früh verglühten Sternen
am Künstlerfirmament gehört, die Rede von einer habituellen juvenilen Romantik sogleich erheblich relativiert. Nicht allein auch,
weil einem, je weiter man vorankommt auf dieser Reise durch die Nacht, Rilkes Verse einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen, die hier einen Resonanzraum finden. Beinahe, als seien sie fur diesen Ort, für die geretteten gerade vie für die verlorenen Seelen dieses
Pantheons geschrieben :”Sie woltten blühn, / und blühn ist schön sein, / doch wir wollen reifen / und das heißt dunkel sein / und
sich bemühn.”
Vor allem aber präsentiert sich Rajcevic mit diesen vielleicht 100 schnell hingeworfenen, meist in Weiß auf dunklem Grau mit
gelegentlichen, rot glühenden Akzenten ausgeführten Arbeiten jenseits aller romantischen Implikationen als souveräne, mit Text und
Bild, Genres und Stilen spielende Zeichnerin, die ihre Mittel virtuos beherrseht. Dass nicht jedes dieser „Blätter” für sich allein bestehen könntesei`s drum. Als Raum aber, vo Triviales neben Rilkes oder Rimbauds Verse zu stehen kommt, Courtney Love neben
Gottfried Benn, Landschaften neben Porträts, Graffiti und stillebenartige Kompositionen, als Raum verfügt dieser dichte, in
düsteres Licht getauchte und dort um sehr viel mehr verführerisch funkelnde “Dunkle Stern” über eine erstaunlich suggestive Kraft.
CHRISTOPH SCHÜTTE
Quelle: Serbische Tageszeitung Danas, Kulturrubrik
Die Ausstellung "Dunkler Stern" der belgrader Künstlerin Simonida Rajcevic läuft in der Galerie Zvono bis zum 25. April
Simonida Rajcevic verpflichtete den Welt-Rock´n´Roll mit ihrer aktuellen Ausstellung "Dunkler Stern" in der Galerie Zvono, und dann verpflichtete sie auch Belgrad, indem sie ganze Sterngalaxien der Populärkultur dorthin angezogen hat, die weltweit und in allen
längst verwehten und modernsten Zeiten zerstreut sind, unter ihnen auch Patti Smith als eine ihrer grundlegenden Inspirationen. Um
Missverständnisse zu vermeiden, Smith war wirklich bei der Ausstellungseröffnung am Montag, den 5. April, in der Višnjiceva Straße
anwesend. Ihre Begegnung scheint durchaus derjenigen von Patti Smith und ihrem großen Idol Bob Dylan ähnlich gewesen zu sein, die
im Interview für die bekannte Zeitschrift Rolling Stone 1976 veröffentlicht wurde. Wunder passieren nun eben manchmal.
- Die ausgesuchten Persönlichkeiten sind eine Mischung von Portraits der Personen aus meinem Privatleben, die ich bewundere, obwohl ich sie jeden Tag zu Gesicht bekomme, sowie auch Rock´n´Roll Ikonen und bekannten Künstlern. Folgende Portraits sind vorzufinden:
River Phoenix, Olivera Katarina, Desh Snow, Milena Markovic, Patti Smith, Robert Mapplethorpe, Tracey Emin, Oleg Novakovic, Karl
Marx, Gill Deles, Sonja Vukicevic, Courtney Love, Sarah Kane, wie auch Zitate von der Band Hole, Rimbaud, Byron, The Streets, Patti Smith, Walt Whitman, Allen Ginsberg, Bukowski, William Blake, Sinead O`Connor, Bob Dylan, Lucinda Williams...
Die Art und Weise auf die Sie ihre Zeichnungen angefertigt haben, die ausgesuchten Materialien und eine besondere Qualität
der möglichen Beobachtungsperspektiven von seitens des Publikums mit ihren Sinnen - nicht nur optischen - sind auch zweifellos
besonders?
Die Arbeit ist eine Rauminstallation, die aus einer großen Anzahl von Zeichnungen besteht, die mit Permanentmarkern auf Plastik und Gummi angefertigt wurden. Abgesehen davon, dass es sich um kein klassisches Zeichenmaterial handelt, wäre es vielleicht für das
Publikum interessanter, es sich selbst anzuschauen und zu erleben als meine eigene Beschreibung.
Die Ausstellung hat auch ihr eigenes eigenartiges Soundtrack?
Das stimmt, das ist die Audioarbeit von Manja Ristic und Ivan Kadelburg, die speziell für diese Ausstellung gemacht wurde. Die
Arbeit dauert 57 Minuten und besteht aus Textzitaten in vier Sprachen, sowie der Autormusik von so mancher der begabtesten
europäischen Bands, die sich mit experimentellem und improvisatorischem Musikperforming befassen und aus Zitaten von Songtexten
bekannter Rock´n´Roll Songs.
Es ist nun schon allgemein bekannt, dass ihre Ausstellung auch Patti Smith besucht hat, was für eine Künstlerin wie sie es sind, vermute ich, eine einmalige Erfahrung ist, vor allem wenn man daran denkt, dass man ihrem Gesicht bei dieser Gelegenheit
mindestens zwei Mal begegnet - wie sah eure Begegnung aus und was für Lebens- und Künstlertipps hat sie Ihnen bei der Eröffnung am
Montag mitgegeben?
Meine Freunde haben Tage lang daran gearbeitet vor mir zu verheimlichen, dass Patti Smith meine Ausstellung besuchen wird, da sie
meine Arbeiten schon gesehen hatte und diese ihr gefallen haben. Ich habe eine Stunde lang versucht, das Gleichgewicht zu halten
und mir Mühe gegeben mich soweit zusammenzureissen, um artikuliert reden zu können. So sah mehr oder weniger unsere Begegnung aus.
Die Ratschläge, die ich von ihr bekam sind ziemlich privat, deswegen möchte ich jetzt nicht darüber reden, aber ich denke, dass ich sie immer vor dem Schlafengehen wiederholen muss, sie sind für mich von großer Bedeutung. Für die Öffentlichkeit wäre z.B., dass
mir die große Rock´n´Roll-Lady gesagt hat, dass es sie freut diese Ausstellung zu besuchen, sowohl weil ihr die Installation und
die Audioarbeit von Manja Ristic die sie besonders lobte, gefallen haben, als auch deswegen weil sie die außerordentlich besondere
Stimmung spürte, die sie als Mischung von Kraft, Wärme, künstlerischer Widmung und familiärer Gemeinsamkeit bezeichnete, und welche ihren Worten nach eben das gewisse Etwas ist, was eine Arbeit erfolgreich, offensichtlich und kraftvoll erscheinen lässt. All das
habe ich meinen Freunden, dem Team welches allein an der technischen Realisierung dieser Ausstellung arbeitete, meinen Galeristen,
und den Menschen, die sich bei der Eröffnung versammelt haben, zu verdanken. Kurz gesagt, ich paraphrasiere: " Diese kraftvolle
Gemeinschaft von Leuten, die ihr versammelt habt, führen dazu, dass die Kraft und der Klang der Arbeit viele andere Menschen
berührt.
Zorica Kojic im Gespräch mit Simonida Rajcevic
Bei der Ausstellungseröffnung von Simonida Rajcevic erschien die bekannte Sängerin Patti Smith persönlich, ohne zu wissen, dass
sie in der Galerie ihr Portrait und Zitate aus ihren Songtexten vorfinden wird. Ich hatte keine Ahnung, dass auch die berühmte
Patti Smith zu meiner Ausstellungseröffnung kommen wird. Das war eine Überraschng, die meine Freunde Milena Markovic, Oleg
Novkovic, Ljuba Božovic und andere vorbereitet haben. Patti Smith war ein paar Tage privat in Belgrad, weil sie mit der Frau von
Ralf Feins, der hier einen Film dreht, befreundet ist - sagt die Künstlerin Simonida Rajcevic, Autorin der Ausstellung "Dunkler
Stern", die am 4. April in der belgrader Galerie Zvono eröffnet wurde. Die Überraschung wurde tagelang vorbereitet. Simonidas
Freunde, von den einer mit dem Team aus Feinses Film "Coriolan" zusammenarbeitet, beschlossen der berühmten amerikanischen
Sängerin, Patti Smith, Simonidas Kataloge der früheren Ausstellungen mitzubringen, um sie zu motivieren die Ausstellung zu
besuchen.
- Sie haben mich die ganze Zeit abgelenkt. Während ich in der Galerie war, blieb immer jemand mit mir da, um mich aufzuhalten, der
andere ging dann zu mir nach Hause, um angeblich etwas zu holen. Dabei haben sie mir alle Kataloge genommen und sie zu den
Filmaufnahmen gebracht. Sie sagen, dass die Luft dort ziemlich dick war, und hektisch war es wohl auch, so dass mein Freund Ljuba,
der am Film mitarbeitet, die Aufnahmen verließ, um die Kataloge zu übernehmen. Als ich bei der Eröffnung dann Patti plötzlich sah,
dachte ich, mich trifft der Schlag, dann aber war ich so aufgeregt - sagt Simonida Rajcevic.
Abgesehen davon, dass auf ein paar Zeichnungen gerade Patti Smith erscheint sowie auch Teile aus ihren Songtexten, war Simonidas
Absicht ihre Freunde zu überraschen, dabei wurde es nun anders herum. Ebenfalls interessant ist, dass vor der Ausstellung keiner
genau wusste, was die Thematik der ausgestellten Arbeiten sein wird. Patti Smith hielt sich ungefähr eine Stunde in der Ausstellung auf. Sie schaute sich die Zeichnungen an, die mit weißem Permanentmarker auf schwarzen Nylontüten realisiert wurden, und mit den
der ganze Raum der Galerie beklebt war. Als sie die Arbeiten gesehen hatte, nahm sie unsere Künstlerin zur Seite und sagte ihr, was ihr am besten gefalle.
Simonida sagt, dass sie 3 Arbeiten erwähnt hatte, aber dass sie sich vor lauter Aufregung nicht merken konnte, welche es waren.
- Danach haben die Leute angefangen sie hin und her zu ziehen, um Fotos mit ihr zu machen, und ich habe mich bei ihr deswegen die
ganze Zeit entschuldigt. Ich war ziemlich durcheinander, ich glaube sogar gestottert zu haben. Patti Smith sagte mir hingegen, dass sie solche Situationen gewohnt ist, und dies auch ein Teil ihrer Arbeit ist. Sie sagte mir, dass das auch meine Arbeit sein soll,
und schlug vor, uns fotografieren zu lassen. Sie gab mir ein paar Tipps bezüglich meiner Kunst, ich würde jetzt ungern öffentlich
darüber reden. Aber ich kann sagen, dass sie mir riet, am Ball zu bleiben, nicht aufzugeben, weil das Leben lang ist. Sie sagte
ebenfalls, dass sie bei der Ausstellungseröffnung in der Galerie Zvono die Atmosphäre der Gemeinsamkeit spürte. Vor allem gefiel
ihr die Audioarbeit von Manja Ristic, die die ganze Zeit im Hintergrund lief - betont Simonida.
Auf den Zeichnungen unserer Künstlerin befinden sich Portraits aus ihrer intimen Umgebung, dann bekannte Persönlichkeiten,
Rockstars, die auf mehrere Weisen ihr Erwachsenwerden, ihr Reifen und ihre Kunst gekennzeichnet haben. Auf der linken Wand befinden sich die Portraits von Patti Smith, und auf der Decke ist die Abbildung der Rocksängerin mit ihrem Busenfreund, dem berühmten
Robert Mapplethorpe als sie noch jung waren. Mapplethorpe starb an den Folgen der Aids-Krankheit.
- Patti Smith war sehr berührt als sie diese Zeichnung sah - fügt Simonida Rajcevic (1974) hinzu, die als Dozentin an der Akademie
für bildende Kunst in Belgrad arbeitet.
Ein Zitat aus dem bekannten Lied "Gloria" ist auf dem Portrait unserer bekannten Theaterschriftstellerin Milena Markovic
ausgeschrieben.
- Als ob wir dieses Ereignis herbeirufen wollten, haben Milena und ich Wochen lang vor der Ausstellung "Gloria" auf verschiedene
Weisen gesungen - sagt die Künstlerin.
Eine Gruppe der Zeichnugen sind den Arbeiten aus der Kunstgeschichte gewidmet worden, wie z.B. Duchamps Pisoir und seine
Toilettenschüssel, sowie auch ähnliche Arbeiten von Sarah Lucas. Zu finden ist auch Francis Bacon mit einer Arbeit auf der
ebenfalls das Motiv der Toilettenschüssel erscheint, auf der sein Freund kurz vor seiner Ausstellungseröffung starb. Gezeigt wurden auch Details aus dem Film „I even met happy gypsies“ (Ich traf sogar glückliche Zigeuner), der 1967 den Großen Preis der Jury beim
Filmfestival in Cannes erhielt. Der Film, so Simonida Rajcevic, spielte eine wichtige Rolle in ihrem Leben. "Dunkler Stern" von
Simonida Rajcevic ist ein trauriges Universum, das aus Persönlichkeiten, Kunst-, Literatur-, und Musikikonen besteht, deren Leben
mit Tragik gekennzeichnet waren. Patti Smith ist auch eine von ihnen, abgesehen davon, dass sie im Laufe nur eines Jahres ihren
Ehemann, den Bruder und besten Freund verloren hat. Zu finden sind auch Dash Snow oder Courtney Love und Kurt Cobain aus den Zeiten als sie noch glücklich verliebt waren.
Nach der Ausstellung in der Galerie Zvono wird der "Dunkle Stern" dem Publikum in Deutschland vorgestellt werden.
Marija Djordjevic
Serbische Tageszeitung Blic, Kulturrubrik
Autor: Milena Marjanović, Kunsthistorikerin
Simonida Rajcevic: Installation "Dunkler Stern"; Audio-Arbeit: Marija Ristic und Ivan Kaldenburg; Galerie Zvono Belgrad
Simonida Rajcevic (Belgrad, 1974) hat ihr Magisterstudium in der Klasse von Momcilo Antonovic 1999 absolviert. Ab dem Jahr 2000
unterrichtet sie an der Akademie für bildende Kunst in Belgrad. Bis jetzt hatte sie neun Einzelausstellungen, davon zwei im
Ausland, in Erfurt und Mailand. Dies ist ihre sechste Ausstellung in der Galerie "Zvono".
Die neueste Arbeit "Dunkler Stern" ist eine Installation bestehend aus 150 Zeichnungen. Im Vordergrund steht die mit weißen
Permanentmarkern auf schwarzen Nylontüten gezeichnete menschliche Figur, die die Wände der Galerie bedeckt. Jede Zeichnung ist vom
kurzen Text begleitet, mit dem die Künstlerin auf einen Augenblick aus ihrem Leben hinweist. Selbst der Boden der Galerie ist ein
schwarzer mit Permanentmarkern bemalter Gummiboden. Indem der Besucher den Fuß in die Galerie setzt, betritt er die Arbeit und
hinterlässt schreitend seine eigenen Spuren darauf. Die Installation wird von einer Aufnahme phantasmagorischer Klänge und Wörter
verfolgt.
Note: Simonida verwirklicht eine direkte Interaktion mit dem Publikum, was das Ziel einer jeden Installation ist. Ihre Zitate und
die geborgten von Sarah Kane wie z.B. Augenblicke wie dieser sind nie von Dauer oder Du erlaubst dir diesen Zustand gnadenloser
Sinnlosigkeit..., verstärken das Thema der Arbeit: das tragische Gefühl des Lebens. Der schwarze Hintergrund ist ein Hinweis auf
die Schwermütigkeit, der Stern ist sie selbst, d.h ihre Energie, die sie durch die Zeichnung als eigene Anwesenheit auf Erden, bzw. in der Galaxie festhält. Der Kontrast zwischen der Universalität des Theams und der Vergänglichkeit des Nylons ist absichtlich,
weil der Besucher nach dem Verlassen der Galerie und der in ihr aufgestellten Installation mit von wesentlichen Lebensfragen
besessen wird.
Post Scriptum: Simonida ist in ihren Botschaften explizit, jedoch ist sie vom sogenannten Neu-Nihilismus den die Kane im Theater
zum Ausdruck brachte, weit entfernt. Sarahs Werke schockierten die Öffentlichkeit mit ihrer Brutalität, Simonidas fordern zum
Nachdenken heraus. Bei beiden ist die Kunst die Quelle des Lebens und deswegen macht sie Sinn. Und das Leben? - hat Hoffnung!
Milena Marjanovic, Kunsthistorikerin
Ungewöhnliche Energie von Simonida Rajcevic ist wieder am Werk. In der Galerie Zvono sucht sie den "Dunklen Stern", im Raum den
sie in eine bemalte orthodox-christliche Kirche oder in Dubufe Höhle verwandelte, indem sie jeden freien Milimeter des Raumes
ausfüllte. Der Boden ist kein Mosaik. Er besteht aus bemalten dunklen Abfallbeuteln die in einem Müllcontainer enden sollten, aber
eben nicht nur im Müllcontainer. Die Wände und die Decke sind von dunklen Mülltüten, anstatt vom Freskenmörtel bedeckt. Die Szenen
auf ihnen sind keine kirchlichen, etwa die aus dem Leben Christi oder anderer Zyklen, sondern Darstellungen der irdischen Liebe,
des Kummers, des Todes und des Sex-Tabubrechens nach dem drei Punkte folgen: ... Es besteht keine durchkalkulierte Reihenfolge wie
diejenige die für die Klöster des Mittelalters spezifisch ist. Dies ist ein Urknall, der gleichzeitig die Entstehung als auch der
Untergang ist, und dies passiert in ihrem gesammten Opus, von den ersten Aufführungen bis heute. Nur diese gewisse
Verbrennungskraft ist anders. Die frühere Installation "Schlangenwand" ist durch den "Dunklen Stern" ausgewechselt worden, d.h. die Reihenfolge des Vorgangs neigt tendenziell eher zum Chaos. Um genauer zu sein: Die Verbrennungskraft wächst, es glüht, aber es
vernichtet nicht. Und ihre Märtyrer, die es mehr als 40 gibt, oder gar weniger, was auch unwichtig ist, verbrennen in dieser
Flamme, die aus der Seele hervorquillt, aber der Körper wird dabei nicht verbrannt. Der weiße Filzstift auf dunklem Hintergrund,
mit einem hin und wieder farbigen Akzent vervollkommnen die Atmosphäre, die der Künstlerin so wichtig ist. Die Dunkelheit ist weder zufällig ausgesucht worden noch ist sie aus dem Nirgendwo gekommen. Sie ist ewig und existiert in der Tiefe der Gefühle von
Simonida Rajcevic. Es wirkt wie ein Paradox, dass sich in solch einer Schwärze, einer Dunkelheit, einem endlosen Tunnel etwas
abspielt. Etwas, dass Freude und Leidenschaftlichkeit, Liebe und Lieblosigkeit, Flamme und Dunkelheit gleichzeitig zu lobpreisen
vermag. Um dies zu vermitteln, erfordert so ein Unternehmen die Kraft des Erlebnisses und der Aufrichtigkeit, ohne sich darüber
Gedanken zu machen, ob es gut oder schlecht ist. Im letztmöglichsten dunklen Punkt feiert sie das Licht, das innen scheint. Ihr
malerisches Verfahren macht dies möglich und es überzeugt, d.h. eine sichere Zeichnung und klar profillierte und in Maßen
ausgeführte Szenen, aber nur wenn man das Maß nicht wörtlich nimmt.
Vasilije B. Sujic